Wenn du auf charmante Kopfsteinpflasterstraßen und gleichzeitig auf hypermoderne Digitalisierung triffst, bist du ganz offenbar in Tallinn – eine Stadt, die dir zeigt, dass schnelles WLAN genauso heimisch sein kann wie mittelalterliche Türme. Hier, wo die Videotelefonie und die digitale Staatsbürgerschaft erfunden wurde, findest du einen Schmelztiegel der Epochen. Ein Ort, der dir ein Selfie mit einer Ritterstatue ermöglicht und dich im nächsten Moment ins Silicon Valley Europas entführt. Die sehr fußgängerfreundliche und vielleicht gemütlichste Hauptstadt Europas ist ein facettenreiches Juwel am Baltikum, wo an jeder Straßenecke eine neue Entdeckung auf dich wartet.
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60 Sekunden in Tallinn
Karte
Tallinn aus Sicht eines Locals
Thorsten Kolsch
Absolute Lieblinge
Hier findest du Empfehlungen aus Tallinn, die nicht in jedem Reiseführer stehen. Viel mehr geht es darum, ein Gefühl dafür zu bekommen, was dich in dieser Stadt erwartet. Sei gespannt!
Der erste Eindruck
Wenn du in Tallinn landest und am vielleicht niedlichsten Hauptstadtflughafen Europas ankommst, fällt dir direkt die entspannte Kultur Estlands und die Sauberkeit auf. Eine moderne Tram bringt dich innerhalb von 20 Minuten in das Stadtzentrum, wahlweise steht dir ein Bolt zur Verfügung, einer der weltweit größten Wettbewerber von Uber – made in Tallinn. Sobald du ein paar Straßen in die Innenstadt spazierst, durch die Altstadt, hin zum Kreativ- und Gastrozentrum Telliskivi, stellst du fest: Hier ist Moderne und Altertum kein Widerspruch. Die Menschen sind glücklich. Die Bahn fährt pünktlich, die Luft ist sauber. Kleine, autonom fahrende Lieferroboter prägen zudem das Stadtbild, die Einwohner:innen mit Einkäufen und Bestellungen versorgen. Dazu kommt die Lage an der Ostsee, die Nähe zu Helsinki (ein Tunnel zur finnischen Hauptstadt ist sogar in Planung), die noblen Häfen, moderne Craft-Brauereien, neue Stadtviertel, große Parklandschaften und riesige Waldgebiete vor den Toren Tallinns. Die estnische Hauptstadt überrascht.
Kaffee & Laptop
Tallinn hat eine üppige Coffee-Shop- und Frühstückskultur, von kleinen heimeligen Specialty Coffee-Läden hin zu lokalen Kaffeeketten wie das Reval Café in Müürivahe. Aufgrund der exzellenten Digitalisierung in Estland sind zudem sämtliche Cafés Laptop-freundlich.
Essen & Trinken
Als ich vor etwa zehn Jahren das erste Mal Tallinn besuchte, ging ich in ein Restaurant: Rataskaevu 16. Ich war sofort begeistert von der Freundlichkeit des Personals (wie in fast allen Restaurants in Tallinn), dem warmen Ambiente und der exzellenten Speise- und Getränkekarte. Ohne Übertreibung ist es eines meiner liebsten Restaurants, die ich bisher überhaupt besucht habe.
Übernachten
Wenn du nur ein paar Tage in Tallinn verbringst, empfehle ich dir ein Hotel bei Booking.com zu suchen. Neben einigen bekannten Kettenhotels, gibt es hier auch zahlreiche kleinere Boutiquehotels. Eine beliebte Option, die auch Freunde von mir bereits gewählt haben, ist die Citybox am Hafen von Tallinn – einfach, günstig, aber modern, mit ultrabequemen Betten und digitalem Self-Checkin.
Meine Empfehlungen: Über Airbnb habe ich einmal im neuen, aufstrebenden Rotermann-Viertel geschlafen und einmal in der Nähe des beliebten Telliskivi-Viertels.
Tallinn Geheimtipps
5 untouristische Dinge, die du in Tallinn erleben kannst
Gelegentlich Wege abseits der ausgetretenen Pfade zu gehen, eröffnen dir neue Perspektiven, die nicht viele haben. Lerne dein Reiseziel mit anderen Augen kennen – jenseits der klassischen Reiseführer. Hier sind 5 Tipps, um die andere Seite Tallinns kennenzulernen:
#1 Telliskivi Creative City (Telliskivi Loomelinnak)
Obwohl es immer populärer wird, bleibt es ein einzigartiger Ort, um das moderne estnische Design, die Kunst und die Kultur zu erleben. Dieser ehemalige Industriekomplex wurde in ein pulsierendes Kreativzentrum verwandelt und beherbergt zahlreiche Ateliers, Boutiquen, Galerien, Bars und Restaurants. Besuche auch Balti Jaam Turg, den Markt am Baltischen Bahnhof, direkt in unmittelbarer Nachbarschaft von Telliskivi.
#2 Patarei Sea Fortress Prison
Ein beeindruckendes historisches Gebäude am Meer, das ursprünglich als Festung gebaut wurd und später als Gefängnis genutzt wurde. Es steht für die dunkleren Kapitel der estnischen Geschichte und gibt einen tiefen Einblick in das Leben und die Zeiten seiner Insassen.
#3 Kadriorg Art Museum
Während das Kadriorg-Schloss selbst recht bekannt ist, übersehen viele Besucher das Kunstzentrum, das es beherbergt. Es verfügt über eine beeindruckende Sammlung von Kunst aus dem 16. bis 20. Jahrhundert, hauptsächlich europäische, aber auch einige estnische Werke.
#4 Linnahall (Stadthalle)
Dieses massive Betonbauwerk wurde für die Olympischen Spiele 1980 als Veranstaltungsort gebaut, als Estland noch Teil der Sowjetunion war. Heute ist es ein beeindruckendes Relikt dieser Zeit. Obwohl es im Laufe der Jahre ziemlich verfallen ist, bietet es einen einzigartigen Blick auf die sowjetische Architektur und Geschichte. Von der Oberseite von Linnahall hat man zudem einen großartigen Blick auf das Meer und die Stadt – und den Sonnenuntergang.
#5 Pikakari rand (Strand)
Der Pikakari rand ist ein ruhiger, weniger entwickelter Strand im Norden der Stadt. Mit seiner natürlichen Umgebung und einigen Ruinen im Naturschutzgebiet trifft man hier auf nur wenige Touristen. Trotz seiner Abgeschiedenheit ist der Strand sowohl mit öffentlichen Verkehrsmitteln als auch mit dem Auto gut erreichbar und stellt eine ideale Alternative zu den belebteren Stränden der Stadt dar.
Tallinn live & aktuell
Geld, Preise und Co.
In Tallinn bezahlt man in Euro und am liebsten mit der Karte oder mit dem Handy. Bargeldzahlungen sind eher ungewöhnlich.
Grundsätzlich zählt Tallinn zu den günstigeren Reisezielen in Europa, wenngleich auch die Inflation hier ihre Auswirkungen zeigt. Schon immer waren alkoholische Getränke immer etwas teurer, hier spielt sicher auch die Nähe zu Skandinavien eine Rolle. Während die Supermarktpreise günstiger als beispielsweise in Berlin sind, haben sich die Restaurantpreise inzwischen denen in Deutschland angeglichen. Man spürt an jeder Ecke, dass Tallinn im westlichen Preisgefüge angekommen ist.
Dafür ist die Fortbewegung vor Ort recht günstig. Eine 1-Stunden-Ticket kostet nur 2 € und ein Tagesticket 5,50 €. Auch Taxi- und Bolt-/Uber-Fahrten sind verglichen mit Deutschland sehr günstig.
Anreise und Nahverkehr
Tallinn ist aus der Ferne am besten mit dem Flugzeug zu erreichen. AirBaltics und andere Airlines fliegen täglich nach Tallinn. Je nachdem von wo du anreist, kann ich dir empfehlen, zunächst Riga anzusteuern. Das ist oft einfacher und günstiger. In der Hauptstadt Lettlands, die auch sehr sehenswert ist, könntest du einen kurzen Stopp einlegen und von dort nur wenige Stunden mit dem sehr bequemen und günstigen Bus nach Tallinn reisen.
Sobald du in Tallinn bist, triffst du auf ein sehr gut ausgebautes öffentliches Nahverkehrssystem. Neben den Trams und Bussen bringen dich auch E-Scooter und die Bolt- und Uber-Taxen von A nach B. Abgesehen davon ist Tallinn auch sehr fußgängerfreundlich.
Die beste Reisezeit
Reisezeit ist oft Geschmacks- und Typsache. Da Tallinn sehr weit im Norden, kurz vor Helsinki, liegt, sind die Winter lang, dunkel und kalt, während die Sommer ebenfalls lang, hell und warm sind – aber nicht zu heiß. Besonders die Events rund um die Mitsommernacht sind ein Erlebnis. Somit ist die Frage zumindest aus meiner Sicht beantwortet.
Doch wer den Winter mag, kommt auch hier, ich korrigiere mich, vor allem hier auf seine Kosten: Weihnachtsmärkte, Saunalandschaften und vieles mehr, machen Tallinn auch in der kalten Jahreszeit zu einem Erlebnis.
Sicherheit & Umwelt
Tallinn ist allgemein als eine sichere Stadt für Reisende bekannt. Die Kriminalitätsrate ist vergleichsweise niedrig, und die meisten Besucher:innen erleben einen unbeschwerten Aufenthalt.
Frauen: Wie in vielen europäischen Städten sollten allein reisende Frauen die üblichen Sicherheitsvorkehrungen treffen, besonders nachts. Die meisten Bereiche von Tallinn sind sicher, aber es ist immer ratsam, wachsam zu bleiben und gut beleuchtete Straßen zu bevorzugen.
LGBTQ+: Estland zeigt sich insgesamt fortschrittlich in Bezug auf LGBTQ+-Rechte. Das Land hat bereits 2014 die eingetragene Partnerschaft für gleichgeschlechtliche Paare eingeführt. In Tallinn findet jährlich eine Pride Parade statt, die die Unterstützung und Akzeptanz der Community zeigt. Aber klar, auch hier muss selten mit Vorurteilen gerechnet werden.
Rassismus: Estland und insbesondere Tallinn sind in den vergangenen Jahren internationaler und weltoffener geworden. Dennoch kann es in seltenen Fällen vorkommen, dass Menschen mit einem offensichtlich ausländischen Aussehen unangenehmen Blicken oder Kommentaren ausgesetzt sind. Es ist jedoch wichtig zu betonen, dass solche Vorfälle nicht die Norm sind und die meisten Est:innen gastfreundlich und offen sind.
Umwelt
Sauberkeit und Luftqualität: Tallinn ist stolz auf seine saubere Umgebung und die gute Luftqualität. Besonders die Altstadt wird sorgfältig gepflegt und die Straßen werden regelmäßig gereinigt.
Mülltrennung: Das Recycling ist in Estland weit verbreitet, und in Tallinn findest du spezielle Container für Glas, Papier, Plastik und Bioabfälle. Reisende werden ermutigt, sich an die lokalen Recycling-Richtlinien zu halten und die Umwelt zu schützen. Beliebt ist auch das Ringo-System: Einmal per App registrieren und den Becher in einen der vielen Ringo-Mülleimer werfen und das Pfand wird dank QR-Code sofort zurück überwiesen.
Leitungswasser: Das Leitungswasser in Tallinn ist von hoher Qualität und kann ohne Bedenken getrunken werden. Es ist nicht nur sicher, sondern auch geschmacklich gut, sodass es nicht notwendig ist, Flaschenwasser zu kaufen.
Tallinn in Bildern
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Thorsten Kolsch
