Täglicher Luftalarm, Ausgangssperren in den großen Städten und der allgegenwärtige Krieg gehören zum traurigen Alltag in der Ukraine. Mit Beginn des Krieges kam auch der Tourismus im Land zum Erliegen. So langsam steigt nun aber wieder das Interesse, insbesondere an geführten Militärtouren nahe der Front.

Verbindest du die Ukraine mit Urlaub? Wenn ich an die gegenwärtige Situation in dem Land denke, kommen mir eher diese Überlegungen in den Kopf: Wie geht es den Menschen dort? Hoffentlich wird der Krieg bald beendet, und nicht zuletzt: Es ist einfach nur schrecklich, was sich dort abspielt! Genau das wollen wohl auch viele Menschen mit ihren eigenen Augen sehen. Eine Reise in die Ukraine ist gar nicht so ungewöhnlich: Der Trend zu Dark Tourism oder auch Kriegstourismus genannt, wird immer beliebter.

Dark Tourism: Was steckt hinter diesem ungewöhnlichen Reisetrend?
Dark Tourism: Ein neuer Reisetrend, der Orte mit tragischer Geschichte erkundet. Entdecke im Artikel die Motive dahinter und weitere Tipps.

Kriegstourismus in der Ukraine: Urlaub unweit der Front

Ich bin ganz ehrlich: Einen Einstieg in diesen Artikel zu finden, ist gar nicht so einfach. Innerlich bin ich sehr zerrissen und frage mich tatsächlich, wie ich an dieses Thema am besten herangehen soll. Irgendwie fällt es mir schwer, Gefallen daran zu finden, in ein Land zu reisen, in dem jeden Tag Menschenleben auf dem Spiel stehen. In dem ein eiskalter Krieg droht. In dem die Einheimischen versuchen, ihrem Alltag nachzugehen, trotz der täglichen Luftangriffe und des dauerhaften Kampfes an der Kriegsfront. Ist es dann nicht voyeuristisch, eine touristische Tour zu buchen, um zerbombte Gebäude zu besichtigen und von den Russen erbeutete Kriegstrophäen wie zerstörte Panzer zu sehen?

Militärtouren zeigen harte Realität

Das Reisebüro "War Tours" in Charkiw, der zweitgrößten Stadt der Ukraine, bietet genau das an. Auf ihrer Website heißt es: "Beweise der russischen Aggression mit eigenen Augen - Wir wollen der Welt zeigen, warum es so wichtig ist, die Ukraine zu unterstützen. Wir wollen zeigen, was Krieg in der modernen Welt wirklich ist." Tourist:innen können bei dem Reisebüro Tagestouren mit einheimischen Guides durch die Städte in Kiew, Irpin und Bucha buchen.

Gründer von „War Tours“ ist Dmytro Nikiforov, von Beruf eigentlich Rechtsanwalt. Zu Beginn des Krieges hat er einen Dokumentarfilmer aus Polen ins Kriegsgebiet begleitet. Seitdem gibt er auch Tourist:innen einen ehrlichen Einblick in die harte Realität des Kriegsalltags. Die Hauptidee hinter seinem Projekt: Die Welt immer wieder an den Krieg zu erinnern. Einen Teil der Einnahmen spendet er an das ukrainische Militär, als Investition in eine friedliche Zukunft.

Seine Kund:innen buchen oft aus beruflichen Gründen: Journalist:innen, Entwicklungshelfer:innen oder Dokumentarfilmer:innen. Oder wenn seine Anwaltkanzlei Geschäftspartner:innen in der Ukraine empfängt. Aber auch die Anzahl der Reisenden steigt: Sie kommen häufig aus Ländern wie etwa Großbritannien, USA, Italien, sogar China und Malaysia und sind zwischen 25 und 35 Jahren alt. Die Motivation? Sie wollen den Krieg verstehen – aus Solidarität und auch um sich daran erinnern, warum es wichtig ist, gegen die russische Invasion vorzugehen.

Kriegstourismus: verantwortungsvoller Umgang als Tourist:in

Fotos und Videos der Tourist:innen auf Social Media zeigen Ausschnitte der angebotenen Touren. Unauffälliges Filmen, keine unnötigen Selfies und vor allem der historische Bildungscharakter gehören zu den Grundlagen des verantwortungsvollen Umgangs mit einer Reise in die Ukraine. Das Land leidet sehr darunter, dass der Tourismus aufgrund des Krieges weggebrochen ist. Arbeit wird dringend benötigt, ebenso wie das Gefühl von "Normalität", das ausländische Tourist:innen Einheimischen vermitteln.

Music Saves UA: Wie die Musikkultur der Ukraine ums Überleben kämpft
Ukrainischen Musiker:innen machen auf den Krieg aufmerksam. Unterstützt von Superstars und auf Festivals sammeln sie Spenden für Music Saves UA.

Wer eine solche Militärführung mitmachen möchte, sollte unbedingt nach einem verantwortungsvollen Anbieter Ausschau halten. Denn auch hier gibt es Reiseagenturen, die mit Kriegstourismus ein großes Geschäft machen wollen und Touren für viel Geld anbieten. Immer empfohlen wird übrigens eine Krankenversicherung, die Kriegsrisiken und Unterstützung im Notfall anbietet. Häufig genannt wird IC Misto.

Ukraine Urlaub: Denkanstöße

Wie Urlaub definiert wird, ist sicherlich eine individuelle Entscheidung. Solltest du trotz gegenwärtigem Krieg eine Reise in die Ukraine planen, so haben wir hier ein paar Denkanstöße zusammengefasst:

  • Es gibt keine sicheren Städte in der Ukraine und das Auswärtige Amt hat eine klare Reisewarnung ausgesprochen. Der Flugverkehr über der Ukraine ist gesperrt, eine Einreise in das Land ist nur über den Landweg möglich. Zugreisen gehören auch in Kriegszeiten zu den sichersten und bequemsten Fortbewegungsmöglichkeiten. Von Polen aus ist die beliebteste Route von Warschau nach Kiew. Allerdings sind die Tickets oft ausverkauft. Busse von Polen aus decken viele Routen in die Ukraine ab. Reiseveranstalter empfehlen, nach Polen zu fliegen und von dort aus in die Ukraine einzureisen.
  • Achte darauf, dass dein Visum den Anforderungen entspricht. Für Bürger vieler europäischer Länder ist die Einreise bis zu 90 Tage visumfrei.
  • Unterstützung bei der Planung einer Ukraine-Reise bietet auch das Portal visitukraine.today. 25 % des Erlöses wird an die Streitkräfte des ukrainischen Militärs und an Geflüchtete gespendet.
  • Unterkünfte kannst du i. d. R. über booking.com oder Airbnb buchen.
  • Sei dir bewusst, dass du vor Ort die Ausgangssperre beachten und dich jederzeit bei Luftalarm in Sicherheit bringen musst.
  • Halte immer einen Backup-Plan für Transportmöglichkeiten bereit
  • Wer Gutes tun möchte, kann Freiwilligenarbeit leisten, etwa bei Tierschutzorganisationen wie notpfote. Unterstützung bei der Organisation bieten Portale wie Volunteering Ukraine.com.